Pressemitteilung -
Darmkrebs: Wege aus der Demographie-Falle.
Teilnahmerate an der Vorsorge-Darmspiegelung soll bis 2030 verdoppelt werden.
München, 14.7.2022 - Eine zunehmend ältere Gesellschaft bedeutet auch eine Zunahme an Krebs. Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) errechneten, wie sich zukünftig die Zahl der Neuerkrankungen bei Darmkrebs entwickelt. Ihr Online-Tool zeigt Prognosen bis ins Jahr 2060 mit über 75.000 neuen Diagnosen. Eine höhere Teilnahmerate am Darmkrebs-Screening kann aber zu erwartende Fälle verhindern.
Über 8,5 Mio. Versicherte in Deutschland haben bereits eine Vorsorge-Darmspiegelung in Anspruch genommen. Seit Einführung dieser gesetzlichen Präventionsleistung im Jahr 2002 sinkt die Neuerkrankungsrate an Darmkrebs in Deutschland kontinuierlich. 320.000 Neuerkrankungen konnten bereits verhindert werden. Diese Rückgänge auch bei der Sterblichkeit sind vor allem in der Altersgruppe zu beobachten, für die die Darmspiegelung angeboten wird - für Männer ab 50 und Frauen ab 55 Jahren.
Sind wir also auf dem richtigen Weg, zu einem Deutschland ohne Darmkrebs?
Der Schein trügt.
Der demographische Wandel in Deutschland steht der Fortsetzung dieses positiven Trends im Wege: Denn rund 90 Prozent der Darmkrebs-Neuerkrankung werden ab dem Alter von 50 Jahren diagnostiziert. Zwischen dem 50. und dem 60. Lebensjahr verdoppelt sich die Neuerkrankungsrate sogar, und steigt mit jedem Lebensjahrzehnt weiter an. Die Gruppe derer, die 67 Jahre oder älter sind, wird wohl von 16 Millionen in 2019 auf über 21 Millionen im Jahr 2060 steigen.
Hinzu kommt die Zurückhaltung der Versicherten bei der Inanspruchnahme von präventiven Leistungen gegen Darmkrebs: 2018 ließen sich jährlich nur 1,7 % der anspruchsberechtigten Frauen und 1,9 % der anspruchsberechtigten Männer in präventiver Absicht koloskopieren. Bezogen auf einen 10-Jahres-Zeitraum, der auch den Berechnungen des DKFZ zu Grunde liegt - nehmen demnach zurzeit weniger als 20% der berechtigen Frauen und Männer eine Vorsorgedarmspiegelung in Anspruch.
Aktuelle Teilnahmerate ist zu niedrig.
"Bei gleichbleibender Nutzung der Vorsorge ist aufgrund des demographischen Wandels bis 2050 ein Anstieg der Darmkrebs-Fälle von heute jährlich rund 62.000 auf 77.000 zu erwarten", gibt das DKFZ zu bedenken. "Um diese Steigerung aufzufangen, müsste die Teilnahmerate an der Vorsorge-Darmspiegelung erheblich gesteigert werden, bis zum Jahr 2030 auf etwa den doppelten und ab dem Jahr 2040 sogar auf etwa den dreifachen Wert", so die Berechnungen der Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) auf der Basis aktueller epidemiologischer Daten.
"Die neue Studie des DKFZ, die sehr hochwertig im The Lancet publiziert wurde, zeigt sehr klar, dass wir selbst um das aktuelle Niveau an Neuerkrankungen zu halten, eine starke Steigerung der Teilnahme an der präventiven Koloskopie benötigen", betont Dr. Berndt Birkner, Kurator der Felix Burda Stiftung und niedergelassener Magen-Darm-Arzt. "Aber wir wollen ja nicht nur das Niveau halten! Wir wollen noch mehr Menschen vor Darmkrebs bewahren. Die Gesunderhaltung der Versicherten sollte im Fokus aller Präventionsprogramme liegen. Stattdessen habe ich aktuell den Eindruck, dass die "informierte Entscheidung" als Paradigma die Potentiale der Krebsprävention verhindert. Alle zur Effektivität der Darmkrebsvorsorge erhobenen Daten zeigen aber, dass die Teilnahmequote essentiell für die Wirksamkeit der Prävention ist. So fordert auch ein Positionsstatement der American Gastroenterological Association (AGA) vom Juni dieses Jahres, alles zu unternehmen, um die Teilnahmequoten in einen Bereich von 60 - 70 Prozent zu steigern."
Wie erreichen wir die Steigerung der Teilnahmerate von heute knapp 20 Prozent, auf die notwendigen 60 Prozent?
Zwar haben die Forscher des DKFZ das Bild einer düsteren Zukunft mit mehr Darmkrebs und mehr Darmkrebstoten gezeichnet, gleichzeitig aber liefern sie Ideen mit, wie ihren Prognosen entgegengewirkt werden kann.
"Die deutlich höhere Darmkrebs-Neuerkrankungsrate der älteren Bevölkerung wird dazu führen, dass wir in Zukunft mit stark steigenden Fallzahlen rechnen müssen. Es sei denn, wir schaffen es, die Prävention zu verbessern und die Beteiligung an der Darmkrebsvorsorge deutlich zu steigern", macht Prof. Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum Hoffnung.
Die Wissenschaftler empfehlen daher:
1. Eine Herabsetzung des Screening-Alters von 55 auf 50 Jahre auch bei Frauen.
2. Die Erweiterung des derzeitigen Angebots von maximal zwei Vorsorge-Koloskopien.
3. Die Verbesserung des bestehenden Einladungsverfahrens, um mehr Menschen zur Darmkrebsvorsorge zu motivieren, insbesondere auch Menschen aus sozial benachteiligten Schichten.
Präventionsrechner zeigt Potentiale.
Um der Politik und jedem Versicherten die Notwendigkeit und Bedeutung hoher Teilnahmeraten vor Augen zu führen, hat das DKFZ einen Präventionsrechner ins Netz gestellt. In dem Online-Tool lässt sich die Steigerung der Inanspruchnahme mit einem Schieberegler verändern und das Resultat an Neuerkrankungen und vermiedenen Fällen in dynamischen Balkendiagrammen ablesen.
So würde eine 200 prozentige Steigerung der Inanspruchnahme, die Anzahl der verhinderten Darmkrebsfälle im Jahr 2050 um 261 Prozent erhöhen.
Online-Tool ausprobieren: https://prevention-calculator....
Heute in die Zukunft investieren: Prävention rechnet sich.
Die Felix Burda Stiftung gibt zusätzlich zu bedenken, dass eine höhere Teilnahme nicht nur Darmkrebs verhütet und Leid durch Krankheit und Tod verhindert, sondern dass weniger Kranke auch das Gesundheitssystem weniger belasten. Gerade im Hinblick auf die kritische Personalsituation in Praxen und Kliniken und den stets steigenden Kosten, sollte heute bereits in Prävention investiert werden, um zukünftige Ressourcen an medizinischem Personal und Krebs-Kosten zu schonen. Bereits 2007 wurden die durchschnittlichen Netto-Einsparungen pro Vorsorgekoloskopie mit bis zu 623 Euro berechnet. Diese kommen durch die Vermeidung von Darmkrebs-Behandlungskosten zustande, die die gesamten Screening-Kosten kompensieren. Auf Basis heutiger Behandlungskosten dürfte der Return on Investment deutlich attraktiver ausfallen.
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Die Felix Burda Stiftung mit Sitz in München wurde 2001 von Dr. Christa Maar und Verleger Prof. Dr. Hubert Burda gegründet und trägt den Namen ihres 2001 an Darmkrebs verstorbenen Sohnes. Zu den bekannten Projekten der Stiftung zählen u.a. der bundesweite Darmkrebsmonat März sowie der Felix Burda Award, mit dem herausragendes Engagement im Bereich der Darmkrebsvorsorge geehrt wird. Mit smarten Event-Tools und Gadgets bringt die Stiftung die Darmkrebs-Prävention zu den Menschen: Das größte begehbare Darmmodell Europas fasziniert seine Besucher auf 20 Metern Länge live und als Virtual Reality-Darm. Die APPzumARZT managed als Gesundheitsapp alle gesetzlichen Präventionsleistungen für die ganze Familie und allein über 150.000 User pro Jahr testen online ihr persönliches Risiko mit dem Schnellcheck-Darmkrebs. Die Felix Burda Stiftung betreibt Websites und Social Media-Präsenzen und generiert mit jährlichen, konzertierten Werbe- und PR-Kampagnen eine starke deutschlandweite Awareness für die Prävention von Darmkrebs. Die Felix Burda Stiftung ist Mitglied im Nationalen Krebsplan der Bundesregierung und in der Nationalen Dekade gegen Krebs des Bundesministeriums für Forschung und Bildung und engagiert sich im wissenschaftlichen Beirat des Krebsinformationsdienstes des DKFZ.
www.felix-burda-stiftung.de