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Sabrina Wiedemer erkrankte mit 24 Jahren an Darmkrebs
Sabrina Wiedemer erkrankte mit 24 Jahren an Darmkrebs

Blog-Eintrag -

​#esgibtkeinzujung: Darmkrebs-Betroffene klären auf. Hochschule Fresenius ermittelt erstmals Daten.

Immer mehr junge Menschen erkranken an Darmkrebs.

Über 40 Prozent der Betroffenen fühlten sich vom Hausarzt nicht ernst genommen.


Darmkrebs: Ein Fall für nur ältere Menschen? Diese Zeiten sind vorbei! Zwar traf es schon immer auch jüngere, aber die Zahlen waren klein und es schien klar zu sein, dass Darmkrebs mit genetischen Veränderungen zu tun hat, die erst mit zunehmendem Alter auftreten. Seit einigen Jahren zeigt sich ein neuer Trend: während die Zahl der Neuerkrankungen im Alter über 50 kontinuierlich abnimmt, steigt sie bei Menschen unter 50 Jahren kontinuierlich an.

Aktuell erkranken in Deutschland jedes Jahr rund 3.390 Personen im Alter unter 50 an Darmkrebs. Das ist immer noch eine kleine Zahl im Vergleich zur Gesamtheit der Neuerkrankungen von 61.000. Und dennoch ist es alarmierend, wenn man sich die Zahlen des Robert Koch Instituts zur Altersgruppe 20 bis 34 Jahre ansieht: hier ist die Zahl der Neuerkrankungen zwischen 1995 und 2013 um 168 Prozent angestiegen!

Welches sind die Gründe für die Zunahme von Darmkrebs bei jungen Menschen?

Die genauen Gründe kennt man gegenwärtig noch nicht. Vermutet wird, dass bestimmte Lebensstilfaktoren und die Zunahme von Übergewicht bereits im jungen Alter einen Anteil daran haben könnten. Der höchste Risikofaktor ist aber eindeutig die familiäre Belastung für Darmkrebs. Eine Studie des MD Anderson Cancer Center in Houston hat festgestellt, dass bei einem Drittel der Patienten, bei denen Darmkrebs vor dem Alter von 35 Jahren diagnostiziert worden war, nachweislich eine erbliche Form von Darmkrebs vorlag. Diese Zahl hat auch die Autoren der Studie überrascht, da erbliche Darmkrebserkrankungen insgesamt nur einen Anteil von 5 bis 10 Prozent an den Neuerkrankungen von Darmkrebs haben. Die häufigste erbliche Erkrankung ist das sogenannte Lynchsyndrom oder HNPCC. Liegt dieses in einer Familie vor, sollten alle direkten Verwandten der erkrankten Personen bereits im Alter von 25 Jahren mit der Vorsorge beginnen. Außer der genetischen Veranlagung sind es auch chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, wie Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa, die das Risiko für Darmkrebs im Alter unter 50 Jahren erhöhen

Die gute Nachricht ist: Wenn man die vorhandenen Früherkennungsuntersuchungen nutzt und frühzeitig mit der Darmspiegelung beginnt, gibt man dem Krebs keine Chance. Die Voraussetzung ist allerdings, dass man sein erhöhtes Risiko und die in Frage kommenden Vorsorgemöglichkeiten kennt, und dass man sie vor allem auch in Anspruch nimmt, um evtl. vorhandene Tumore so früh wie möglich zu erkennen. Eine Studie der Universität Michigan hat festgestellt, das Darmkrebs bei Menschen unter 50 Jahren, weil diese ihr erhöhtes Risiko oft nicht kennen, häufig erst im einem fortgeschrittenen Stadium erkannt wird, in dem er kaum noch geheilt werden kann.

Was kann passieren, wenn junge Menschen Symptome haben und damit zum Arzt gehen?

Studentinnen der (Wirtschafts-) Psychologie im Studienschwerpunkt Gesundheitspsychologie an der Hochschule Fresenius in München haben im Rahmen ihres Studienprojekts 2018 „Darmkrebsrisiko und Vorsorge – Awareness der jungen Generation“ interessante Daten erhoben: 10 der 11 persönlich interviewten jüngeren Menschen, die vor dem Alter von 50 Jahren an Darmkrebs erkrankten, wurden von ihrem Hausarzt über einen längeren Zeitraum – teils über mehrere Jahre hinweg - falsch behandelt, ohne dass nach den Ursachen für die anhaltenden Verdauungsbeschwerden, Krämpfe und Blut im Stuhl gesucht wurde. Ein oft gehörter Satz war: "Sie sind viel zu jung, um Darmkrebs zu haben."

Auch die zusätzliche Online-Umfrage der Fresenius-Studentinnen unter 605 Darmkrebs-Betroffenen jeden Alters, zeichnet ein düsteres Bild:

  • 42,6% der Befragten hatten das Gefühl, dass ihre Beschwerden vom Hausarzt nicht ernst genommen wurden.
  • 32,4% der Teilnehmer gaben an, dass ihre Symptome über einen längeren Zeitraum von ihrem Hausarzt behandelt wurden, ohne dass sich eine Verbesserung eingestellt hat.
  • Im Durchschnitt wurden die Befragten erst nach rund 11 Monaten erfolgloser Behandlung an einen Facharzt überwiesen: Diagnose Darmkrebs!


„Sie sind zu jung!“, diesen Satz hörte auch Sabrina Wiedemer aus Offenburg von ihrem Hausarzt.

Obwohl die heute 25 jährige bei ihm mit starken Krämpfen und Blut im Stuhl um Hilfe bat, wurde sie rund eineinhalb Jahre lang nur auf Verstopfung und Durchfall behandelt, die abwechselnd auftraten. Als es dann schließlich durch eine Darmspiegelung zur Diagnose kam, war der Darmkrebs bereits so weit fortgeschritten, dass er Metastasen in anderen Organen gebildet hatte. Erschreckend: Sabrina hatte zusätzlich zu ihren Beschwerden sogar eine erbliche Form von Darmkrebs in der Familie, die Grund genug gewesen wäre, sie beim Auftreten der allerersten Symptome sofort zur Darmspiegelung zu überweisen.

Auch Kerstin Mannes‘ Symptome wurden nicht ernst genommen. 

Die damals 31 jährige aus der Nähe von München ging wegen monatelanger Stuhlgang-Probleme zum Hausarzt. Obwohl es auch bei ihr bereits Darmkrebs in der Familie gab, lag für den Arzt die Diagnose Darmkrebs offenbar außerhalb der Vorstellung. Vielmehr vermutete er Stress und andere Probleme als Ursache ihrer Verdauungsbeschwerden. Erst ihre energische Forderung nach einer Überweisung zum Magen-Darm-Arzt verschaffte Kerstin den Zugang zur Darmspiegelung. Die Diagnose lautete: Darmkrebs.

Heute rät sie jungen Menschen: „Wenn ihr Probleme mit Eurem Stuhlgang habt, dann geht zum Arzt. Und wenn dieser sagt ihr seid zu jung, bleibt hartnäckig. Denn es gibt kein „zu jung“ um Darmkrebs zu haben.“

Neue Ideen sind gefragt.

Wie können Personen mit familiärem und erblichem Risiko möglichst früh identifiziert werden? 
Ein wichtiger erster Schritt wäre, wenn der Hausarzt bei jedem jüngeren Patienten eine Familienanamnese erhebt, wenn Darmkrebspatienten in der Klinik über das erhöhte Risiko für ihre Verwandten aufgeklärt werden, und wenn möglichste viele Medien, mit denen sich junge Menschen erreichen lassen, sich dafür einsetzen, dass ihre Nutzer vom familiären und erblichen Risiko und den verfügbaren Vorsorgemöglichkeiten erfahren.

Wie die Studenten der Hochschule Fresenius in einer Umfrage bei 18-34 jährigen Nicht-Betroffenen ermittelt haben, gaben zwar 27 Prozent der Befragten an, dass es in ihrer Familie einen Fall von Darmkrebs gibt. Doch denken 19 Prozent von ihnen nicht, dass sie deshalb ein erhöhtes Risiko für diesen Tumor haben.
Hier gibt es also noch viel zu tun.

Ein besonders wichtiger Punkt betrifft die Aufklärung der Hausärzte. 

Es darf nicht sein, dass Diagnosestellungen bei Symptomen von jungen Menschen um Monate oder in manchen Fällen sogar um Jahre hinausgezögert werden und damit wertvolle Zeit für die Früherkennung eines vorhandenen Karzinoms vertan wird.
Hier sind dringend neue Ideen gefragt!



Quellen:
MD Anderson Cancer Center: http://www.medicalnewstoday.com/releases/297080.php?tw
University of Michigan: http://www.medicalnewstoday.com/releases/305427.php
Zentrum für Krebsregisterdaten des Robert Koch Instituts:
http://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Datenbankabfrage/datenbankabfrage_stufe1_node.html

Der Darmkrebsmonat März – eine gemeinsame Initiative der Felix Burda Stiftung, der Stiftung LebensBlicke und des Netzwerk gegen Darmkrebs e.V. – ist der bundesweite Aktionsmonat für die Darmkrebsvorsorge, der in diesem Jahr unter dem Motto steht: „Lass Darmkrebs nicht Dein Schicksal sein!“. Obwohl umfangreiche Präventions-Angebote bestehen, sterben jährlich rund 25.400 Menschen an diesem Krebs, der als einziger verhindert bzw. geheilt werden kann, wenn er frühzeitig erkannt wird.

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